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Rallye Tag 7

Ihr erinnert Euch noch an den freundlichen Norweger von gestern Nacht? Der meinte, er passe auf das Haus seines Bruders auf, aber wir könnten auf der von uns angesteuerten Fläche auf der anderen Straßenseite campen? Gegen 9:40h rüttelte uns Niko aus dem Bett:

“Da war gerade der, dem das Land gehört und der will, dass wir uns hier schnellstens verpissen, bevor er die Bullen ruft.”

Na toll. Niko ist sich dabei nicht sicher, ob es der Typ von gestern Abend war, allerdings hatte er es zunächst gedacht, als dieser auf ihn zukam – erst die Abfuhr machte Niko stutzig. Könnte sein, dass es sein Bruder war. Aber dass er diesem derart ähnlich sieht? Immerhin war der Typ gestern auch schon in den 50ern, selbst Zwillinge sind da nicht mehr ganz identisch, oder? Naja. In der Einsamkeit werden Menschen ja öfters mal wunderlich (wie wir gleich noch einmal sehen sollten). Und manche vielleicht auch schizophren…

Kaum dass wir zusammengepackt und ins Auto gestiegen waren fing es schon an zu regnen. Ächz. Vom Wetter her hatten wir bisher nur insofern Glück, als dass es bisher noch nie nennenswert geregnet hatte als wir unser Zelt auf- oder abgebaut hatten. Und heute sollte der Regen und das drückende Grau der Wolken ganz besonders DSC_0936ermattend werden. Kurz nach dem überstürzten Aufbruch landeten wir (mal wieder) in einem Coop-Supermarkt, wo es kostenloses W-Lan, Toiletten und natürlich auch Lebensmittel gibt. Scheint eine Skandinavische Kette zu sein, denn bereits in Schweden erkannten wir den Luxus dieser Einrichtungen. Doch hier draußen, im Ort Balsfjord, schien man von den 7 Deutschen, die bewaffnet mit Smartphones und Laptops das kleine Supermarkt-Café enterten, die Toiletten besetzten und dazu noch gefühlt die jüngsten im Laden waren sehr argwöhnisch: Als wir zu fünft an der einzigen Toilette anstanden kam eine ältere (75+), kleine Dame aus diesem und blickte uns derart erschrocken an, ging weiter, guckte jedem einzelnem offensichtlich starr mit offenem Mund ins Gesicht, ging wieder ein paar Meter, drehte sich noch einmal um, murmelte etwas unfreundlich klingendes auf Norwegisch und ließ auch – als wir uns danach in besagtes Café setzten – keinen von uns aus den Augen. Es war uns geradezu unheimlich und bereits vor der Toilette drehten wir uns weg und warfen uns besorgte Blicke zu. Am Ende blieben wir aber – quasi aus Trotz – trotzdem eine halbe Stunde in dem Café und holten unser Frühstück nach. Es gab eine sehr eigenwillige Norwegische Spezialität: Waffeln mit Karamellkäse. Richtig gelesen. Salziger Käse mit Karamellgeschmack…

DSC_0004Dann weiter ins Auto. Die Straßen heute waren miserabel, es gab nur wenige Abschnitte, auf denen wir tatsächlich schneller als 60-70 km /h fahren konnten und der bleiern graue Regen ermüdete Hirn und Handwerk. Dazu kam das eisige Gepeitsche des nordischen Regens jedesmal wenn wir hielten, tankten, Rast machen wollten. Ein HotDog an einer Tanke wurde da schnell zum kulinarischen Highlight des Tages, da keiner Lust hatte etwas anderes zuzubereiten und es im Auto nur DSC_0993Knäckebrot oder Reiswaffeln, stellenweise auch beides in Kombination gab. Es wurde sogar derart dröge, dass Belinda und ich froh waren, mit den ACMEs und den Tschüssern zu einem großen 7 Mann Team verschmolzen zu sein. Wir bezweifeln ernsthaft, ob wir die heutige Etappe bis zum Nordkap tatsächlich durchgehalten hätten:

“Warum tun wir uns den Scheiß hier gerade überhaupt an – wegen einem kargen Felsstück?!”

DSC_0031Aber gemeinsam, ja gemeinsam, da stachelt jeder jeden an. Da sind wir ein Team mit einem Ziel. Und das war das Nordkap!! Da Roberts Knie immer noch schmerzte fuhr Belinda fast die gesamte Strecke die faszinierende Küstenstraße am kalten Nordmeer entlang. Der Regen und der Wind peitschten genauso wie die Gischt auf uns herab – durchhalten war die Parole, DSC_0042das gefühlte Ende der Welt schien immer näher zu kommen und doch dauerte es ewig bis wir es erreichen sollten. Die Landschaft veränderte sich immer weiter, karges Land, kaum noch Vegetation, dafür überall Rentierherden die aber glücklicherweise ziemlich unbeeindruckt waren und auch nicht vor uns die Straße kreuzen wollten. Es ging hindurch durch mehrere Tunnel, der längste davon fast 7 km lang und am tiefsten Punkt über 200 m unter Meereslinie. Aus Schnee wurde Schneeregen und die Kühlung des Wagens funktionierte so gut, dass kaum noch Motorwärme übrig blieb um die Heizung zu bedienen. Kurze Pinkelpausen bei Sturmböen wurden zu kleinen Abenteuern. Und dann endlich waren wir da – um 23:30 Uhr. Kassenhäuschen, knapp 50 € Eintritt für ein großes DSC_0079Touristenzentrum und eben den bekannten Globus. Leider hatten wir echt Pech. Es hätte doch bitte entweder Regnen, oder kalt sein, oder neblig sein können. Aber nein, es war alles drei. Sichtweite unter 10 m, das Meer unterhalb der Klippe konnte man nur erahnen und auch den Globus nur sehen wenn man direkt davor stand. Aber egal – wir hatten es gemeinsam geschafft! Darauf erstmal eine Runde Killepitsch und Gruppenfotos am P1010682Monument. Nachdem gegen 0:30 Uhr die großen Touristenmassen mit den Bussen wieder abtransportiert waren haben wir uns ganz frech noch das Foto für die Tagesaufgabe geholt. Dreist über die Busspur direkt bis vor den Globus und ein Foto mit dem Wagen drauf schießen. :-)

Corinna und Jan blieben auf dem Parkplatz stehen über Nacht, die ACMEs und wir haben nachts noch den Abstieg gewagt um uns ein 20140621_005507_Richtone(HDR)Plätzchen zum wild-campen zu suchen, Glücklicherweise wurde es ja nicht dunkel, sonst wäre das wirklich ein Albtraum geworden. Zu den engen Serpentinenstraßen, den Rentieren und den DSC_0082Sturmböen gesellte sich nun nämlich auch noch Schnee und davon nicht wenig. Wieder einmal waren wir heilfroh über unsere nagelneuen Allwetterreifen – das war eine der besten Investitionen der ganzen Reise. Ca. 30 km südlich des Nordkaps haben wir dann auf einem Rastplatz unser Lager aufgeschlagen. Die zweitbeste Investition dieser Reise: das DSC_0129Zelt in dessen Vorzelt wir uns im Schneeregensturm noch eine heiße Suppe gekocht haben, bevor wir uns mit mehreren Lagen Kleidung mit kleinen Knick-Wärmekissen, die Belinda vorsorglich für genau diese Nacht von zuhause mitgebracht hatte, in unsere Schlafsäcke gekuschelt haben.