10418318_603688749728498_5265209279554855162_n

Rallye Tag 16

4:00h morgens. Die Sitze des Porsche eignen sich in hochgeklappter Form nicht wirklich zum Schlafen, aber bei unserem Level an Erschöpfung ging das mit dem Nickerchen sogar hier. Was mich eigentlich geweckt hatte waren Stimmen. Um uns herum. Träge machte ich die Augen auf. Der Schädel brummte und jede Faser meines Körpers schmerzte entweder oder wollte weiterschlafen.Doch um uns herum tigerte eine 4-er Gruppe der wohl örtlichen Dorfjugend in Kapuzenpullis herum, setzte sich dann etwa 20m mit Blick auf unser Auto vor uns und rauchte ein paar Zigaretten. Es war an sich nichts gefährliches, doch die Art und Weise, wie sie da schlichen, wie sie uns beobachteten war ungut. Ich stupste Belinda an. Müde öffnete auch sie die Augen. Bemerkte noch mehr Gestalten um uns herum in der Morgendämmerung. Keine schöne Situation. Vermutlich harmlos. Aber wir wollten nicht das Gegenteil abwarten. Ich knüllte also meinen Schlafsack auf Belindas Schoß, legte den ersten Gang ein und mit einem “Vroommm” sprang der Motor direkt an. Gutes Auto. Keine 30 Sekunden später waren wir wieder mit 90 Sachen auf der Landstraße unterwegs.

Eigentlich war das Ziel immer noch Swinemünde. Auf dem Weg dahin passierten wir jedoch Kolberg und ich habe es mir nicht DSC_0271nehmen lassen, ein paar Meter durch die Stadt und bis an die – bis dato noch gar nicht besuchte – polnische Ostsee zu fahren. Gesagt getan. Belindas Widerstand wurde mit einem “Da können wir uns dann einen Bäcker suchen und ganz gechillt Frühstücken” niedergeschlagen. Eine Dreiviertelstunde später standen wir dann schließlich in Kolberg am Hafen. Die Stadt war … naja, Belinda würde wieder sagen: Polnisch. Es war echt kalt. Da standen wir nun am Hafenbecken. Machten kurz ein Foto. Mittlerweile war es 5:30h morgens. Meine Güte waren wir zerknirscht, diese Nacht hatte es in sich gehabt. Das triste Grau der tief hängenden Wolken passte perfekt zu unserer Laune.

Aber was war das?! Fische!! Im Hafenbecken! Und sie springen aus dem Wasser! Angeln!!!

Belinda war von der Idee gar nicht angetan, um es mal milde auszudrücken. Aber ich kannte da nichts. Ich wollte auf diesem DSC_0274verfluchten Trip noch einen Fisch rausziehen. Basta. Wagen also abgestellt, Angel geholt und angefangen auszuwerfen. Mensch, das gibt es doch nicht, warum beißt denn da nichts?! Wieder eine pritschelnde Schwanzflosse. Köder gleich daneben positioniert, Nichts. Es fängt zu regnen an. Nix da, aufgegeben wird nicht. Die Leine verknotet sich und ich muss gut 10m abschneiden. Kollateralschäden. Aus dem bisschen Regen wird ein Wolkenbruch der mich bis auf die Unterhose abduscht. Nein. Ich mache weiter. Noch 4-5 Würfe. Schließlich, eine gute Stunde später war keine Schwanzflosse mehr zu sehen. Aus der leichten Dämmerung schälte sich der Morgen. Ich war pitschnass, die Hände steifgefroren. Ich musste es eingestehen. Auf diesem Trip werde ich keinen Fisch mehr fangen. Bäm. Das hatte gesessen.

Ich stieg zurück ins Auto auf den Fahrersitz. Belinda hatte noch eine Schlafrunde eingelegt. Vollkommen deprimiert zündetet ich den Wagen, weiter ging es Richtung Swinemünde. Aber davor: Ein Bäcker. Meint Ihr, es gibt in diesem ‘*!!#°! Kolberg einen Bäcker, der um 7h morgens aufhätte? Weil um 9h rennen sie ja alle wie die Lemminge in die Kirche? Nö. Nix. Passanten gefragt. Jetzt? Ne. Nicht vor 8h. Aber auch nicht hier. Nächster Ort. Meine Laune sank ins bodenlose, dieses Polen, fluchte ich, dieses gottver*** Polen!!! Es regnet. Die Beschilderungen stimmen nicht oder fehlen gänzlich. Die Fische wollen nicht beißen. Die Dorfjugend würde uns gerne lynchen. Und, und und… Schließlich durfte ich auf den Beifahrersitz und nach einer weiteren Fluchtirade schlief ich auch ein, während Belinda weiter Richtung Swinemünde pilotierte. Wir waren beide DSC_0286nervlich am Ende an diesem letzten Tag. Ein kleiner Lichtblick ergab sich dann, als wir knapp 20km vor Swinemünde gegen 9h durch einen weiteren Ferienort fuhren. Nicht nur, dass es dort einen Bäcker gab, der geöffnet hatte, wo ich uns erstmal Gebäck holte, gab es ein paar 100 Meter weiter sogar eine Eisdiele, DSC_0284die auch warme Pfannkuchen verkaufte. Perfekt. Direkt mal gehalten, Pfannkuchen besorgt, zurück ins Auto: Ach, was für eine Wohltat. Aus der Thermoschachtel, einem alten Pappkarton, einer Wasserflasche und Alufolie bauten wir dann noch einen Supercharger nach, stellten ihn auf die Motorhaube und fertig war das Beweisfoto für eine weitere Roadbook-Aufgabe: Baue deinen Wagen in ein MadMax-Auto um.

Schließlich ging es weiter. Der Regen goss in Strömen. An ein Tauschen war einfach nicht mehr zu denken, es war wirklich DSC_0293niemand zu sehen, alle versteckten sich in ihren Häusern. Richtig “gut” wurde unsere Laune dann, als wir noch über eine Stunde vertrödelten um mit der Fähre die 200m(!!!) bis nach Swinemünde selbst zu tuckern. Warum baut man da bitte keine Brücke? Hat es euch da drüben etwa ins Hirn geregnet, das mit einer uralten Fähre im Schneckentempo zu lösen? Was’n los mit Euch?! Meine Laune kannte kaum ein Halten mehr. Auch Belindas Laune hatte schon bessere Tage gesehen. Ständig Zicken wir uns wegen Kinderkram an. Ein “Halt die Klappe” war da noch die freundlichste Aufforderung gen Frieden.

Endlich überfuhren wir die Grenze zurück zu Deutschland. Es regnete noch immer und die Straßen waren gestopft voll. Doch endlich durften wir wieder offiziell Autobahn fahren! Also drauf – und gib ihm! 120 – 140 – 160 – erst bei 170 verspürten wir so etwas wie Gnade mit dem brüllenden Motor und Respekt vor Natur (Regen) und Situation (Verkehrsteilnehmer). An etlichen Teams schossen wir vorbei, kurz vor Hamburg noch einmal herrichten und Katzenwäsche. In Hamburg selbst war die erste Station dann nicht das Ziel, sondern der Hauptbahnhof, denn wir mussten ja schließlich die Fotos von unseren Challgenges ausdrucken und in das Roadbook einkleben und am Hauptbahnhof war noch ein Rossmann, der offen hatte. Während Belinda also fix in den Bahnhof sprang parkte ich den Wagen ein paar Meter weiter – und traf ganz unverhofft auf unsere mittlerweile guten Freunde, die ACMEs!! Großes Trara, Wiedersehen, alles gut. Sie fuhren dann schonmal vor bis ins Ziel, man sieht sich ja gleich! Gesagt getan. Ein paar Minuten später kam auch Belinda wieder zurück.

Ob sie denn nun ins Ziel fahren dürfe, immerhin bin ich schon gestartet. Hmpf. Na gut. Fahrerwechsel: Belinda ans Steuer.

Auf dem Weg zum Ziel noch eine kleine Überraschung: Plötzlich, an einer Ampel, stand eine brüllende Person neben dem Beifahrerfenster. Wir waren so fertig, haben uns nicht einmal erschrocken. Doch die Überraschung war dennoch groß: Unsere Freundin Anna, die extra zu unserer Zieleinfahrt gekommen war (oder zumindest dorthin wollte) hatte uns schon auf der Straße gesehen und musste uns direkt mal begrüßen. Cool.

10418318_603688749728498_5265209279554855162_nSchließlich war es soweit: Um kurz nach 16:30h passierten wir die Ziellinie. Unser Wagen hatte durchgehalten. Über 9500 km laut GPS Tracker. Wir hatten überlebt. Trotz -2° am Nordkap beim Zelten. Großes Kino. Großes Wiedersehen mit den anderen Teams. Große Party. Großes Abenteuer.

P.S.: Welche Platzierung wir am Ende haben wissen wir nicht: Es wurden nur die ersten drei genannt, die nach Punkten gewonnen hatten. Aber einen Sieg hatten wir definitiv davongetragen: Tina von den Chasing Elks hatte zu Beginn gewettet, dass wir nicht ohne größere mechanische Panne durchkämen. Ihr Einsatz: Sie isst einen 20140629_205325schönen, dicken Sürströmming wenn wir es doch schaffen. Und ratet mal, was wir an der Party zu ihrem Erschrecken aus unserer Tasche zogen – genau – eine schöne, große, schon aufgeblähte weil weiter vergorene Dose Sürströmming! Aber Hut ab, Tina packte sich zwei Scheiben Brot und würgte den Fisch anstandslos herunter. Wir waren nicht schlecht beeindruckt. Damit auch die Hamburger sich noch eine Weile erfreuen können stellten wir den offenen restlichen Sürströmming auf dem Kiez auf ‘nem Fensterbrett ab und gingen weiter feiern, denn der Abend hatte jetzt erst recht begonnen…